Höchste Geigenkunst und sinfonische Klangwelten: Gidon Kremer und Mikhail Pletnev mit dem russischen Nationalorchester im Festspielhaus Baden-Baden (19.04.2008)

Er gehört fraglos zu den besten Geigern der Welt, der in Riga geborene Meister der Violine Gidon Kremer. Seit 35 Jahren steht er auf der Bühne der Welt, er dirigiert selbst und gründete ein eigenes Kammerorchester, die Camerata Baltica. Mit dem Violinkonzert von Sibelius, dem großen finnischen Komponisten, das in seinen drei Sätzen Allegro moderato, Adagio di molto und Allegro ma non tanto viele romantische Stilfiguren enthält, als Gesamtkomposition aber durchaus symphonisch wirkt, hat der große Künstler ein schwierige Aufgabe bravourös bewältigt. An diesem großartigen Erfolg, der auch durch einen technisch bedingten Geigenwechsel im dritten schnellen Satz, professionell und rasch abgewickelt, nicht geschmälert wurde, hatte der Dirigent des Abends, Mikhail Pletnev, mit dem großartigen russischen National-orchester, einer Vereinigung der besten Instrumentalisten, wichtigen Anteil. Er führte das Publikum durch die Suite "Pelléas et Mélisande" mit neun Miniaturen zu dem Drama von Maurice Maeterlinck bereits bestens in die Klangwelt von Sibelius ein. Durch seine brilliante punktgenaue Schlagtechnik erzeugte der Dirigent, ein berühmter Pianist, mit seinem ausgezeichneten Klangkörper eine hohe ryhthmische und klangliche Präsenz: Die eher strenge Atmosphäre am Schloßtor in den Streichern durch schwingende Celli dargestellt, das weiche und süße Thema der Mélisande in der Oboe, der plätschernde Bach mit bezaubernden Flöten und Holzbläsersoli, die mit schwelgendem aber immer konzentriertem Klang dargebotene Wiegenbewegung des Meeres stellte Pletnev verhalten aber direkt, nicht ohne Pathos aber mit viel Zartheit. Die spielerische Zwischenaktmusik und Mélisandes Tod mit dem Liebesthema des Pelléas in gutem Zeitmaß setzen hierzu schlicht den gelungenen Schlußpunkt.
Dann betrat Gidon Kremer, der von allen bereits erwartete Meister die Bühne. Der zarte lyrisch-romantische Beginn des Konzerts in D-Moll, der den rhapsodisch frei angelegten Monolog der Geige einleitet, geriet tonlich und klanglich hell, klar und strahlend schön. Das Tempo war schnell und die Spielweise dynamisch, wobei Solist und Orchester sehr gut miteinander harmonierten. Da Sibelius selbst sehr gut Violine spielte, hat er die Komposition für die Geige sehr klug angelegt. Die Virtuosität beherrscht Kremer sehr gut. Sehr gut gelang ihm auch der Gegensatz zwischen den eher romantischen und den mit kurzem Strich gespielten Rhythmen, mit denen er vor allem auch in der Kadenz das Publikum verzauberte. Den zweiten langsamen Satz nahmen Pletnev und Kremer sehr cantabel, breit ausgespielt und mit dichtem Ton voller Vibrato.     Man erkannte klar das musikalische Wechselspiel zwischen dem Innen und Außen der großartigen Musik. Orchester und Solist wirkten als gleichwertige Partner, und diese bewährte sich dann auch im dritten, schnellen Satz mit dem begeisternden tänzerischen Finale. Pauken und tiefe Streicher drängten vorwärts und Kremer interpretierte mit viel Ausdruck und bis zum letzten Ton cantabel dieses fantastische fortstrebende Kadenz, die in eine Coda in der Tonika einmündet und dem Orchester nochmals sehr viel Raum einräumt. Ein großartiger Erfolg mit viel Beifall und Bravorufen.